Waldorf

Samstag, 10. Juli 2010

Der gesundheitsfördernde Ansatz der Waldorfpädagogik

Ein Aufsatz von Dr. Jürgen Möller Kinderarzt und Jugendpsychiater, anthroposophischer Arzt. Geb. 1942 in Hamburg, aufgewachsen teilweise in Hannover und Umgebung, als Student in Europa Helfender für Aufbauhilfe nach Kriegen und Katastrophen, Arbeitsort war unter anderem die Ita-Wegman-Klinik in Arlesheim bei Dornach in der Schweiz und er war beim Aufbau in der Filderklinik in Stuttgart tätig!

Hier nun einer von mehreren Texten, die von ihm verfasst und mir zur Verfügung gestellt wurde:

Der gesundheitsfördernde Ansatz der Waldorfpädagogik

Der Grund, warum Eltern ihre Kinder auf die Waldorfschule schicken, ist sehr unterschiedlich und vielschichtig. Als mein Bruder Gert (* 1943) und ich (* 1942) im Jahre 1955 auf die Freie Waldorfschule in Benefeld kamen, waren wir schon drei Jahre in der Waldorfschule Hannover gewesen. Diese war nach dem Kriege im wesentlichen auf eine Initiative von Rene Maikowsky wieder eröffnet worden. Maikowsky ging dann wenige Jahre später als Gründungslehrer nach Benefeld. Unsere Eltern schickten uns aus mehr äußeren Gründen auf die Waldorfschule: Nähe zur Wohnung, „spielerisch lernen“ sollte man dort, und es war auf dem Gelände am Maschsee ein kleines Schwimmbad, das letztlich den Ausschlag gab für die Wahl dieser Schule. Von dem Hintergrund der dort gepflegten Pädagogik (christliche Schule, Anthroposophie) hatten unsere Eltern keine Ahnung, und wir als Schüler auch nicht, bis in die Oberstufe hinein, da unsere Lehrer uns nicht missionieren und zu Anthroposophen machen wollten, so habe ich es jedenfalls erlebt.

Eines der Hauptanliegen der Waldorfschule ist, die Kinder leiblich, seelisch und geistig gesund zu erhalten. Dies mag erstaunen, ist doch Gesundheit landläufig kein eigentlicher Begriff der Pädagogik, und Rudolf Steiners pädagogischer Ansatz ist immer noch der einzige, für den Gesundheitsförderung ein Hauptanliegen ist, so dass bis in die Unterrichtsmethodik darauf Rücksicht genommen wird. Gesundheitsförderung erschöpft sich nicht in flankierenden Einzelmaßnahmen – nach dem Motto, ein bisschen Kunst und ein bisschen Musik mag das Gemüt bilden, Stricken die Geschicklichkeit fördern, Sport den Körper etc. - , sondern hier wird sie zum Ziel- und Kernpunkt der Erziehungskunst, hier durchzieht sie das alltägliche Leben der Schule: Lehrplan, den Aufbau des Unterrichts (Rhythmischer Teil- Lernteil- Erzählteil), die Stoffauswahl und –abfolge, die Art der Lehrmittel, die Gestaltung der Zeugnisse, die Architektur und die Sozialgestalt der Schule. Alles basiert auf gesundheits- und entwicklungsfördernden Gesichtspunkten und hat eine den ganzen Menschen umfassende Menschenkunde zur Grundlage.

Ist Waldorfpädagogik Reformpädagogik?

Zwar entstand die Waldorfpädagogik nach dem Ersten Weltkrieg, einer Zeit, in welcher Reformbewegungen Hochkonjunktur hatten. Sie hatte das Ziel einer Erneuerung des Bildungswesens, als Gegenbewegung zum verkrusteten bürgerlichen Leben zu mehr Kindgemäßheit hin, zu Jugendlichkeit und Naturnähe, wollte Rudolf Steiner eine Reform zu einer vertieften spirituellen Grundlage der Erziehung mit Einbezug des ganzen Menschen. Man kann sich diese Aufgabe angesichts des Materialismus der damaligen Zeit nicht gewaltig genug vorstellen; sie war mehr als eine reformpädagogische Bestrebung. Eine Reform des allgemeinen Kulturerlebens: die Erneuerung von Wissenschaft, Kunst und Religion auf einer vertieften spirituellen Grundlage war ins Auge gefasst, wie auch für zahlreiche andere relevante Lebensfelder, wie Medizin, Pharmazie, Landwirtschaft, bildende Kunst und Architektur, Sozial- und Wirtschaftswissenschaft und die Heilpädagogik.

Eine pädagogisch gute Schule basiert letztlich doch immer auf gesundheitsfördernden und entwicklungsorientierten und deshalb heilenden Zielen. Aber nicht in erster Linie kranke oder gestörte Kinder waren ins Auge gefasst bei der Konzipierung der Waldorfschule, sondern durchaus gesunde. Nicht eine irgendwie geartete Heilanstalt sollte diese Schule werden. Wenn deshalb von Erziehen und Unterrichten als einem Heilen gesprochen wird, dann ganz offensichtlich nicht im Sinne einer Therapie von Störungen, sondern eindeutig als Pflege und Unterstützung der gesund erhaltenden Kräfte im Kind. Die Frage ist also nicht: Wie kuriere ich gestörte oder kranke Kinder?, sondern: Wie kann ich die Arbeit so gestalten, dass die Kinder durch den Unterricht in ihrem gesunden Kräften gestärkt werden, sich gesund entwickeln und zu freiheitsfähigen Menschen werden? Eine Dissertation an der Universität Bielefeld hat kürzlich nachgewiesen, dass die Pädagogik Rudolf Steiners die bisher radikalste und weitreichendste gesundheitsfördernde Pädagogik darstellt (Zdrazil 2000)

Ist Waldorfpädagogik veraltet?

Lange Zeit galt die Waldorfschule bei gewissen Kritikern als ein Lernort für intellektuell minderbegabte Kinder von finanziell höher begabten Eltern. Diese Meinung ist inzwischen längst widerlegt. Waldorfschüler stehen im öffentlichen Leben „ihren Mann“ oder „ihre Frau“, sei es in Wissenschaft, Kunst und Kultur. Dennoch gibt es alle paar Jahre Wellen von Gegnerschaft, zum teil seitens ungenügend recherchierender Journalisten (Rassismusvorwurf; ökologische Nische) oder den Einwand, es handle sich um eine „Weltanschauungsschule“, der etwa in Frankreich sogar gerichtlich erklärt werden musste, da dort Waldorfschulen im Zuge staatlicher Anti-Sekten-Kampagnen von der Schließung bedroht waren. Alle diese Vorwürfe konnten entkräftet werden. Mittlerweile erweist sich das Konzept der Steiner-Pädagogik als nicht „von gestern“, sondern als „von heute“ oder sogar „von übermorgen“, da vieles in ihm Angelegte noch gar nicht richtig entwickelt werden konnte.

In einer heute in Natur- und Geisteswissenschaft üblichen Prägung liegen mittlerweile auch Konzepte vor, die den Ansatz der Waldorfpädagogik sehr stark stützen – Es handelt sich dabei um Konzepte der offiziellen Wissenschaft der letzten zwanzig Jahre, welche zur Zeit der Entstehung dieser Pädagogik (1919) bei dem damals herrschenden Positivismus und Materialismus noch nicht denkbar waren. Offenbar nähern sich die Ergebnisse der offiziellen wissenschaftlichen Forschung immer mehr diesem Menschenbild an, indem subtiler vorgegangen wird und auch ein Einbezug des Seelischen und Geistigen des Menschen stattfindet.

Gerade angesichts der anwachsenden Probleme im Schulwesen, mit Lernunlust, Gewalt und Drogensucht, wird die Suche nach tragfähigen Konzepten mit Einbezug des ganzen Menschen wieder aktuell. Der Stellenwert kognitiver Leistungen gewinnt gegenwärtig ja zunehmend wieder an Gewicht, auch die Frage wie die Schüler kompetent für die Wirtschaftswelt gemacht werden, steht als Lernziel ganz oben an. Die Folge davon ist die Aufmerksamkeit und Publizität, die internationale Vergleichsstudien wie PISA genießen. Man steht unter dem Eindruck, dass dem Erreichen schulischem Wissensstandards eine ähnliche Tragweite beigemessen wird wie es Kapitalanleger den Börsenkursen gegenüber tun:

Sie sind eine Messgröße für den Erfolg des Unternehmens und entscheiden über das weitere Fortkommen im internationalen Wettbewerb. Auch die Vorstellung von der Verträglichkeit von Mensch und Computer hat in vielen Lehrplänen und methodisch-didaktischen Konzepten längst nachhaltig Niederschlag gefunden. Da die Gehirnstrukturen bereits in der frühen Kindheit ausreifen, nimmt man an, dass Kinder, die frühzeitig mit Computern, Videogeräten etc. umgehen, auch die entsprechenden Hirnvernetzungen ausbilden und damit eher „arbeitsweltkompatibel“ werden als Kinder, denen dies alles fehlt.

Es gibt aber begründete Vermutungen, nach denen die Informationsgesellschaft ihren Höhepunkt bereits überschritten hat und sich eine neue Entwicklung anbahnt, in der etwa wieder mehr auch die Frage nach der persönlichen Bindung von Lehrer und Schüler Beachtung findet, so dass es wieder mehr darum gehen wird, einen ganzheitlichen Blick auf den Schüler und auf den Umgang mit ihm zu pflegen. Begriffe wie Schulethos und Schulatmosphäre sind langsam wieder „in“! Sie atmen eine humanitäre Stimmung, sie scheinen veraltet, erfahren aber wieder Wertschätzung.

Wie auch immer die zukünftige Entwicklung laufen wird, so zeichnet sich doch in unserer Gegenwart eine Situation ab, die für immer mehr Menschen zur existenziellen Bedrohung wird, so dass die Pädagogik ein heilender Faktor sein kann.

Gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen

Überblickt man die Entwicklung der gesundheitlichen Situation in den letzten Jahrzehnten, kommt man nicht umhin festzustellen, dass sie einhergeht mit drastischen Veränderungen in der Lebenswelt. Diese sind gekennzeichnet durch steigende Hektik, Ruhelosigkeit, durch Stress als Folge einer chronifizierten Forderung nach ständiger Leistungsbereitschaft, sowie durch eine steigende Überflutung mit zusammenhanglosen Informationen und Sinnesreizen. Die Lebenswelt ist eine ständige Aufforderung zu erhöhter und immer wieder wechselnder Aufmerksamkeit und zu einer permanenten Antriebssteigerung. Wir leben in einer Welt, welche Hyperaktivität und ständigen Wechsel der Aufmerksamkeit zum Normalfall macht.

Anstelle fiebriger Kinderkrankheiten treten viele unspezifische Leiden auf: Nervosität, motorische Unruhe, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Schlaf- und Essstörungen. Auch Allergien treten seit den 1950er Jahren doppelt so häufig auf, als zuvor. Heute ist rund jedes dritte Kind davon betroffen. Dazu kommen vermehrt psychosomatische Leiden wie Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen. Entsprechend ist auch der Umgang mit Medikamenten. Schätzungsweise greifen rund ein Drittel aller Zwölfjährigen mindestens einmal wöchentlich in den Medikamentenschrank der Eltern, weil sie Schmerz, Beruhigungs- oder Aufputschmittel brauchen. Eine Untersuchung im Schweizer Kanton Zürich ergab, dass insgesamt 22, 5 % der Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter eine oder mehrere psychische Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten nach klinischen Kriterien aufweisen. Typische Störungsbilder sind: Hyperkinese, Störungen des Sozialverhaltens, Teilleistungsstörungen, Angststörungen, Depressionen, Aggressionen. Eine Zunahme der Störungen von Haltung und Skelett aufgrund des Bewegungsmangels, wie auch Fettsucht sind weitere Probleme, die im Zunehmen begriffen sind. Ungefähr jedes achte deutsche Kind zeigt Sprachauffälligkeiten, etwa jedes fünfte Kind weist einen übermäßig starken Bewegungsdrang auf. Rund 47 % der Elf- bis Vierzehnjährigen waren 1995 förderungsbedürftig; 1986 waren es lediglich 16 %. Das bedeutet: innerhalb von zehn Jahren erfolgte eine Verdreifachung dieser Entwicklungsdefizite. Alle diese Symptome deuten auf ein defizitäres Leibverhältnis hin und können als direkte Folge mangelnder frühkindlicher Bewegungs- und Sinnesaktivität interpretiert werden. Schulen mit der einseitiger Betonung kognitiven Wissens tragen das ihre dazu bei.



Kernbereiche der Pädagogik Rudolf Steiners

a) Künstlerischer belebender Unterricht
b) Ansprechen aller 12 Sinne
c) Wesensgliederkunde
d) Dreigliederung des Menschen
e) Rhythmen des Menschen
f) Biographische Psycho-Physiologie „Jahrsiebte“
g) Verbindender pädagogischer Ethos
h) Religiöse Grundhaltung als sinnstiftender Aspekt
i) Schulorganisatorischer Rahmen

Es sollen im Folgenden dargestellt werden, hiervon skizzenhaft einige wichtige Bereiche, die als charakteristisch für die Pädagogik Rudolf Steiners gelten können. Sie zeichnen sich nicht nur aus durch ihre Originalität zur damaligen Zeit, sondern in erster Linie dadurch, dass sie durchweg von gesundheitsfördernder Bedeutung sind.

a) Künstlerischer belebender Unterricht

Der künstlerische Unterricht gehört zu den Kernforderungen der Steiner-Pädagogik.
Ausdrücklich ist aber nicht von „Kunst im Unterricht“ oder von Kunstunterricht die Rede, sondern vom Künstlerischen als einer besonderen Qualität in der Gestaltung des Unterrichts. Nicht um eine musische, dekorative Auflockerung des sonst ungenießbaren Unterrichtsinhaltes handelt es sich. Das Künstlerische ist hier die Unterrichtsmethode selbst. Es bedeutet die Art und Weise, wie lebendig, d.h. Originell, präsent vorgegangen wird vom Lehrer, dass das konkret Vorliegende der Kinder und der Inhalte in seiner momentanen Entwicklungsfähigkeit erfasst und als Werdevorgang begleitet und unterstützt wird. Das Künstlerische unterscheidet sich markant von jener Vorgehensweise, die durch zieldefinierte Planung und Organisation, durch Steuerung der Lernprozesse und Überprüfbarkeit der Resultate der Staatsschule gekennzeichnet ist.

Diese Art des zweckrationalen Vorgehens erzielt reproduzierbare, überprüfbare Produkte mit messbarer Qualität. Die künstlerische Methode dagegen bringt immer individuelle Ergebnisse mit originaler Qualität hervor. Dies ist nicht mit gleichem Maße zu messen. Sie orientiert sich an der schöpferischen Entfaltung individueller Möglichkeiten. Der zweckrationale Unterricht ist dem Umgang mit technischen Einrichtungen angemessen, wie etwa der Handhabung von Maschinen oder Apparaten. Das Schöpferische bleibt dabei auf das Konzeptdesign beschränkt, die Ausführung oder die Praxis dagegen verlangt eine strikte Befolgung vorgeplanter Handlungsanweisungen. So teilte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie... Rogowski mit, - er ist selber ein ehemaliger Waldorfschüler- dass er gerne Absolventen von Waldorfschulen in der Industrie einstelle, wenn es darum geht, in Phantasie erfordernden, kreativen und innovativen Bereichen zu arbeiten. Zweckrationaler Unterricht fördert dagegen eher beispielsweise das Handlungsfeld von Piloten, Ingenieuren. Aber auch auf solchen Gebieten stehen Waldorfschüler ihren Mann, wie wir inzwischen wissen. Die künstlerische Methode ist immer da angezeigt, wo es sich um zukunftsoffene Unterstützung und Mitgestaltung organischvitaler oder seelisch-biographischer Vorgänge handelt.

b) Mit allen Sinnen lernen

Unserer Pädagogik liegt eine erweiterte Sinneslehre zu Grunde. Während viele didaktische Konzepte von einer Beschränkung auf Sehen, Hören, Tasten ausgehen, wird in der Waldorfpädagogik eine zwölffache Differenzierung des Weltbezuges über die Sinne angenommen. Gerade die Pflege der so genannten „unteren Sinne“ – Tastsinn, Lebenssinn, Eigenbewegungssinn, Gleichgewichtssinn – spielt in der Vorschul- und Grundschulpädagogik eine vorrangige Rolle, bildet diese Sinneslehre doch das Fundament für die Ausbildung von Weltvertrauen und Daseinsgewissheit.

Die „mittleren Sinne“ – Geruchs-, Geschmacks-Sehsinn, Wärmesinn – berühren am stärksten unser Gemüts- und Gefühlsleben.

Die „oberen Sinne“ - Hörsinn, Wortsinn, Gedanken und Ich-Sinn – führen den Menschen ins Innere hinein und heißen deshalb auch „Erkenntnissinne“. Leider kann an dieser Stelle nicht näher auf dies differenzierte Sinneslehre eingegangen werden. Die Sinneslehre, wie sie der Waldorfpädagogik zu Grunde liegt, kann als erweiterte Grundlage für eine Stabilisierung eines gesunden Verhältnisses zur eigenen Leiblichkeit, zur natürlichen und zur mitmenschlichen Umwelt gelten. Wir erleben heute, wie eine Verarmung von Sinnesqualitäten in einer mediengesteuerten Welt Platz greift und wie die zu Beginn der Ausführungen geschilderten gesundheitlichen Probleme auf einem defizitären Sinnes- und Leibverhältnis basieren. Die Medienkritik der Waldorfschule beruht also nicht auf einer nörglerischen, besserwisserischen Haltung, sondern entspringt tiefer Sorge um die gesundheitliche Entwicklung der Kinder.

c) und d) Wesensgliederkunde und Dreigliederung des Leibes und der Seele

Die differenzierte Menschenkunde der Waldorfschule beruht auf der Entdeckung, dass der Mensch psychologisch und physiologisch – seelisch-geistig einerseits und in den leiblichen Lebensvorgängen andererseits – dreigegliedert ist.

Die drei Bereiche sind leiblich das Nerven-Sinnes-System, das rhythmische System und das Stoff-Wechsel-Gliedmassen-System. Psychologisch korrespondieren damit die Tätigkeiten des Vorstellens, des Fühlens und des Wollens, sowie die drei Bewusstseinszustände Wachen, Träumen und Schlafen. Durch das Aufdecken dieser Bezüge überwindet Steiner die Auffassung, Psychisches sei eine bloße Funktion von neuronalen Prozessen und demzufolge im Nervensystem lokalisiert.

Didaktisch und methodisch hat dies eine Überwindung einseitig kognitiver Konzepte zur Folge: Am Lernen ist nicht nur das Nervensystem, sondern der ganze Mensch beteiligt. Am Kopfrechnen zum Beispiel ist nicht nur das Nervensystem, sondern der ganze Mensch engagiert. Bei dieser Prozedur ist die Durchblutung der Muskeln um 300% erhöht, und der Puls steigt bei angestrengtem Kopfrechnen auf 120 pro Minute, wie bei körperlicher Schwerarbeit. Bis hinein in die Immunprozesse wirkt sich das Kopfrechnen aus – ein Forschungsergebnis der Psycho-Neuro-Immunologie, einer neueren Forschungseinrichtung. Die Erfahrung lehrt, dass nur wenn alle drei Bereiche: Leib, Seele und Geist, sowie Denken, Fühlen und Handeln in den Unterricht einbezogen werden, verhindert werden kann, dass durch einseitige intellektuelle Anforderungen bei den Kindern Ängste, Nervosität und Unruhe auftreten.

Vergleichende Studien zwischen Waldorfschülern und Staatsschülern belegen die Hypothese, dass Waldorfschüler wesentlich weniger diese Krankheitssymptome aufweisen. – Mit anderen Worten: Die Methoden des Unterrichts mit Einbezug von emotionalen und leiblichen Erfahrungen erzielen nicht nur bessere Lernergebnisse, sondern auch gesundheitsfördernde Wirkungen.

Ein Beispiel: Wir erinnern uns vielleicht, wie ein Gedicht nicht nur statisch aufgesagt wird, sondern wie sich rhythmisch dazu bewegt wird, eine Zahl oder ein Buchstabe nicht nur an der Tafel erscheinen beim Lesen- und Rechnenlernen, sie werden auch groß in den Sand geschrieben oder in Ton plastiziert. Wenn man durch eine Schule dieser Prägung geht, ist viel Bewegung und „geordnete Lautheit“ auf den Fluren wahrzunehmen: In der einen Klasse wird ein Stabreim gestampft, woanders wird chorisch rezitiert. Der Wechsel von Ruhe und Bewegung, der Einklang von Nerven- und Blutpool, von Vorstellung und Willen wird gepflegt.

e) Rhythmen des Menschen

Die künstlerische Unterrichtsmethode ist die Vorgehensweise, welche der Individualität des Kindes den nötigen Entwicklungsraum gewährt. Wir Waldorfschüler haben in der Unter- und Mittelstufe erlebt, dass die rhythmische Abfolge im Hauptunterricht von rhythmisch-musikalischen und sprachlichen Teilen mit nachfolgender Phase der Konzentration und stillen Arbeiten wohltuend wirkt. Das atmende Schwingen zwischen Reflektieren und Agieren und ihrem harmonisierenden Ausgleich in der empfindenden Mitte ist ein Wesenszug dieses künstlerischen Prozesses. Dieses Vorgehen ermüdet die Schüler weniger stark und erhält die Lernfreude bis zum Ende der Schulzeit.
Aus salutogenetischer Sicht kann man sagen: Es stärkt das Kohärenzgefühl des Schülers, aber auch des Lehrers im Sinne von Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und dem Erleben von Sinnhaftigkeit der Welt in der Behandlung der Inhalte.

f) Biographisch orientierte, altersgerechte Unterrichtsmethode

Die Entwicklung des Kindes wird beschrieben in drei Jahrsiebten, die symptomatisch durch den Zahnwechsel und die Pubertät markiert werden. Jedes Jahrsiebt ist ein Durchlaufen charakteristischer und notwendiger Entwicklungsschritte: Die sukzessiv sich entfaltenden Wesensglieder (Daseinsschichten des Menschen) benötigen für eine gesunde Entwicklungsprozessen, kann eine gesunde Interaktion der vier Daseinsschichten (physischer Leib, Lebensleib, Seelenleib und Individualität) beeinträchtigen, eine Disposition für spätere Erkrankungen schaffen. Die Jahrsiebte, wie sie der anthroposophischen Pädagogik zugrunde liegen, werden oft als unpädagogische Normvorgaben missverstanden, welche einer Individualisierung der Pädagogik zuwiderliefen. Eine genaue Betrachtung gibt aber eine ganz andere Sichtweise: Der ungefähre Siebenjahresrhythmus muss als gesundendes Ordnungsprinzip in der leiblich-seelischen Entwicklung des Kindes aufgefasst werden.

Gerade im Umgang mit den durchgängig zivilisatorisch bedingten Akzelerationen und Retardationen der kindlichen und jugendlichen Entwicklung und dem deutlichen Auseinanderklaffen körperlicher und seelischer Reifeprozesse kommt der Berücksichtigung der Jahrsiebte eine neue gesundheitsfördernde Bedeutung zu. Natürlich darf die Sache mit den Jahrsiebten nicht zu starr gehandhabt werden, insofern, als es viele individuelle Abweichungen gibt: Es scheint so zu sein, dass immer mehr Kinder auf die Welt kommen, die sehr viel mitbringen, sehr früh reif, geradezu weise erscheinen: ebenso gibt es Verzögerungen, welche nicht zivilisatorisch bedingt sind. Alle diese Kinder darf man nicht in irgendeine Norm pressen wollen; vielmehr lautet die Aufgabe, sie zu verstehen.

Gerade zu erkennen, dass die Kräfte von Leib, Seele und Geist zu früh beansprucht werden für das Lernen, oder zu spät, ist wichtig. Dass die frei werdenden Lebenskräfte, die nach dem Zahnwechsel für das Lernen zur Verfügung stehen, bildsam und fließend gehalten werden durch einen künstlerischen Unterricht ist, wie gesagt, ein entscheidender Aspekt der Pädagogik und führt zur Krankheitsvorbeugung im späteren Alter. Diese Lebenskräfte sind die eigentlich gesundenden Kräfte (in der Anthroposophie werden sie auch Ätherkräfte genannt) und wir brauchen sie im Krankheitsfall, wo sie wieder organgebunden sind.


Waldorfschule und Gesellschaft

Nicht nur auf effizientes Lernen, sondern auf gesundes Lernen kommt es demnach an – die Industriegesellschaft verfolgte bisher im wesentlichen ein Wachstum, das auf der Nutzung und dem Verbrauch von Rohstoffen und Energie basierte und die Steigerung von Produktion und verbrauch materieller Güter zum Ziel hatte. Der Raubbau an den Ressourcen unseres Planeten bedeutet eine globale Bedrohung der Lebensgrundlagen. Die „Grenzen des Wachstums“ kamen, nicht zuletzt dank des gleichnamigen 1972 erschienenen Sachbuches, erst allmählich ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit und haben ein allmähliches Umdenken in Gang gesetzt. Wie der Blick auf die gegenwärtige gesundheitliche Situation zeigt, ist zur Zeit ein Raubbau an den vitalen, psychischen und geistigen Ressourcen des Menschen voll im Gange. Vor allem in der Arbeitswelt wird stärker denn je Leistungsbereitschaft, Engagement, Kreativität, Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme gefordert, ohne sich darüber klar zu werden, woher und wodurch die Kräfte dazu kommen und nachwachsen sollen, um diesen Anforderungen überhaupt genügen zu können.

Es zeigt sich immer deutlicher, dass Urlaub, Freizeitspaß und Unterhaltung nicht ausreichen, um den modernen Anforderungen nachhaltig genügen zu können. In diesem Falle sind es „Grenzen des Wachstums“, nicht in erster Linie von materiellen Gütern, sondern es sind seelisch-geistige Kräfte, und es stellt sich die Frage, wie und wodurch diese seelisch-geistigen Kräfte gestärkt und in ihrer Entfaltung gefördert und unterstützt werden können.

Salutogenese – das menschenkundliche, aus der Gesundheitsforschung stammende Konzept der Salutogenese geht auf Aaron Antonovsky (1923 – 1994) zurück und leitete einen Perspektivenwechsel im Bereich der Gesundheitsforschung ein. Ausgehend von der Frage, warum Menschen unter schlimmsten und ungünstigsten Lebensbedingungen gesund bleiben und sich gesund fühlen (wie etwa Frauen, die das Konzentrationslager überlebten und später in Israel, zum Zeitpunkt des Älterwerdens, untersucht wurden), fragte er nach den gesund machenden Bedingungen des Lebens. Dies steht der mehrheitlich üblichen Betrachtung diametral gegenüber, die meint, es handle sich bei Gesundheit lediglich um die Abwesenheit von Krankheit, und es erschöpfe sich das Gesundwerden in der Bekämpfung pathogenetischer, krank machender Faktoren. Die Salutogeneseforschung fragt vielmehr nach den gesund machenden Bedingungen im Leben. Gesundheit hat demnach im weitesten Sinne mit körperlicher Widerstandskraft zu tun, mit seelischer Stärke und geistiger Klarheit.

Der Hauptfaktor für die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit ist das so genannte Kohärenzgefühl (Sense of Coherence). Es kann beschrieben werden als empfindungsmäßige Übereinstimmung eines Menschen mit sich uns seiner physischen, sozialen und kulturellen Umwelt, eine Grundhaltung der Welt gegenüber. Dieses Gefühl scheint die entscheidende Einflussgröße für den Gesundheitszustand eines Menschen zu sein und wirkt sich nicht nur psychisch, sondern auch leiblich aus. Das Kohärenzgefühl speist sich aus drei Komponenten:

1.) Das Gefühl der Verstehbarkeit (Sense of Comprehesibility)
Damit meint Antonovsky ein Vertrauen in die Fähigkeit, die Welt zu verstehen, zu einer erkenntnismäßigen Zuwendung zur Welt: „Ich vertraue darauf, dass ich die Welt und mich grundsätzlich verstehen kann als geordnet, als strukturiert, auch wenn sie mir noch weithin unbekannt ist und ich mit Fakten konfrontiert werde, welche mir chaotisch, willkürlich, zufällig und deshalb als unerklärlich erscheinen.

2.) Das Gefühl der Bewältigbarkeit, der Handhabbarkeit (Sense of Manageability)
Hiermit ist gemeint, dass das Leben und seine Erfordernisse als bewältigbar erlebt werden, Herausforderungen, die sich stellen, können angenommen werden. Die Person hat das Vertrauen, dass sie selbst oder der Partner, ein Kollege oder Gott die gestellte Aufgabe meistern können, dass wir genügend Ressourcen zur Verfügung haben, um den Anforderungen des Lebens zu begegnen. Betont wird, dass es nicht nur darum gehe, über eigene Kompetenzen verfügen zu können; auch der Glaube daran, das andere Personen oder eine höhere Macht dabei helfen, Schwierigkeiten zu überwinden, ist damit gemeint (in schwierigen Situationen bin ich nicht allein gelassen).

Der Mensch, dem diese Überzeugung fehlt, gleicht dem sprichwörtlichen Pechvogel, der sich immer aufs neue schrecklichen Ereignissen ausgeliefert sieht, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.

3.) das Gefühl von Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit
betrifft die Motivation einer Person. Sie empfindet bestimmte Dinge ihres Lebens als wichtig und sinnvoll, und dies wird nicht nur erkannt, sondern auch emotional erlebt und gefühlt. Hier geht es um das Ausmaß, in dem eine Person das Leben als sinnvoll empfindet, und um die Frage, inwieweit ein Mensch einsieht, dass Probleme und Anforderungen zum Leben dazu gehören, d.h. dass sie es wert sind, Energie in sie zu investieren und sich ihnen verpflichtet zu fühlen und somit Herausforderungen auch als Geschenk ansehen kann. Diese dritte Komponente sieht Antonovsky als die wichtigste an.
Ohne die Erfahrung von Sinnhaftigkeit und ohne positive Erwartungen an das Leben ergibt sich trotz einer hohen Ausprägung der anderen beiden Komponenten kein hoher Grad des gesamten Kohärenz-Gefühles. Ein Mensch wird das Leben in allen Bereichen nur als Last empfinden, und jede weitere sich stellende Aufgabe als zusätzliche Qual, wenn ihm dieses Erleben von Sinnhaftigkeit fehlt.

Das Gegenteil des Kohärenzgefühls – Drehen wir versuchsweise die drei von Antonovsky beschriebenen Komponenten um, kehren sie in ihr Gegenteil:

1.) Ich verstehe die Welt überhaupt nicht
2.) Ich kann nichts machen
3.) Es hat alles überhaupt keinen Sinn

Dann beschreiben wir genau das Krankheitsbild der alles lähmenden Depression.

Angesichts der starken Zunahme und Verbreitung, welche diese Krankheit erfährt – und hierzu zählt auch der Motivationsverlust beim Lernen – erweist sich Antonovskys Konzept der Salutogenese als von höchster pädagogischer Aktualität.

Es sollte gezeigt werden, dass Waldorfpädagogik von Anfang an Gesundbleiben und Erziehen als Einheit ansieht. Obwohl Antonowskys Salutogenese der empirischen Forschung entspringt, ist ihr Gesundheitsverständnis durchaus offen für spirituelle Sichtweisen. Denn Antonovsky knüpft sein Gesundheitsverständnis nicht an eine statistische Norm, sondern nimmt die Schicksalssituation des einzelnen Menschen als Ausgangspunkt. Damit fasst er allerdings etwas ins Auge, das sich der naturwissenschaftlich-soziologischen Methode entzieht: Es ist der individuelle geistige Wesenskern des Menschen. Antonovsky vermag nur zu beschreiben, wie sich das Weltverhältnis eines Menschen in gesunder Weise gestaltet, aber nicht, was dieser individuelle Wesenskern ist. So ist es nur konsequent, dass Antonovsky es vermeidet, darüber zu spekulieren; er lässt die Frage bewusst offen.

Rudolf Steiner bewegte sich aus einer deutlich anderen Richtung auf die Frage nach der Gesundheit zu, dass er sich dabei nach beinahe einem Jahrhundert mit der modernen Gesundheitsforschung trifft, dürfte die Fruchtbarkeit und Aktualität seiner Forschungsmethoden bestätigen.

Es war in alten Zeiten,
Da lebte in der Eingeweihten Seelen
Kraftvoll der Gedanke, dass krank
Von Natur ein jeglicher Mensch sei.
Und Erziehen ward angesehen
Gleich dem Heilprozess,
der dem Kinde mit dem Reifen
die Gesundheit zugleich erbrachte
für des Lebens vollendetes Menschsein.

Rudolf Steiner

* 27.02.1861 + 30.03.1925
Kraljevec/ Kroatien Dornach bei Basel

Praktische Ergebnisse

Es gibt nur wenige, oder nur vereinzelte, Studien darüber, wie stark die Pädagogik Steiners tatsächlich gesundheitsfördernd ist. Aus den letzten 25 Jahren liegen ungefähr sechs Untersuchungen zu gesundheitlichen Aspekten bei Waldorfschülern vor. Eine schulärztliche Vergleichsstudie an Waldorfklassen und Staatsschulklassen im Raum Stuttgart hat ergeben, dass bei Waldorfschülerinnen der Eintritt der ersten Regelblutung deutlich später erfolgt als bei deren Altersgenossinnen auf der Staatsschule.Es zeigte sich, dass der ermittelte Zeitunterschied von rund acht Monaten auf den Schulunterricht und nicht auf das soziale Umfeld zurückzuführen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Verfrühung in den körperlichen Symptomen der Pubertät meist einhergeht mit einer Verspätung der psychischen Entwicklung, muss dieser Befund gesundheitlich als positiv gewertet werden. Hier ist zu erinnern an eine im Jahr 1999 in Schweden durchgeführte eingehende Untersuchung über die Häufigkeit allergischer Krankheiten, früher wurde darüber eingehender berichtet.

Schüler aus zwei Waldorfschulen und zwei Staatsschulen wurden auf Allergien – wie Bronchial-Asthma, Neurodermitis und Heuschnupfen – untersucht und deren Auftreten im Zusammenhang mit dem familiären Lebensstil gebracht (Ernährungsweise, Impfungshäufigkeit, Medizin, Behandlung, sowie rhythmischer Tagesverlauf) Das deutlich geringere Auftreten allergischer Krankheiten bei Waldorfschülern – rund 50% weniger! – steht in eindeutigem Zusammenhang mit dem „anthroposophischen Lebensstil“ ihrer Familien. Da sind zu nennen: Wenig oder gar kein Einsatz von Antibiotika oder Fieber senkender Mittel, geringere Impfraten und mehr durchgestandene Masern, längere Stillzeit, vermehrter Genuss naturbelassener Nahrungsmittel – alles Faktoren, die sich nachweislich positiv auf das Immunsystem der Kinder auswirken und eine Erhöhung ihres Gesundheitspotenzials zur Folge haben.

Eine weitere Studie stammt aus dem Jahre 2000; in ihr wurde der psychosomatische Gesundheitsstatus von Waldorfschülern im Vergleich zu Staatsschülern untersucht. Dabei zeigte sich bei 12- bis 16-jährigen Waldorfschülern ein signifikant geringeres Vorkommen folgender Beschwerden:

Kopfschmerzen, Nervosität und Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Magenbeschwerden, Übelkeit Händezittern, starkes Herzklopfen, Appetitlosigkeit Schweißausbrüche, Kreuz- und Rückenbeschwerden, Schmerzen im Beckenraum, Schmerzen in der Brust. Bezüglich von Schlafstörungen ist statistisch kein besseres Ergebnis nachweisbar. Die Ergebnisse bestätigen, dass sich Waldorfschüler psychosomatisch besser fühlen, als es bei den Staatsschülern der Fall ist.

Die gleiche Studie weist auch nach, dass sich Absolventen von Waldorfschulen signifikant häufiger höhere oder anspruchsvollere Berufswege zutrauen, als ihre Altersgenossen aus staatlichen Schulen. Dies erlaubt, hypothetisch zu schließen auf ein gesundes Selbstvertrauen und damit auf jenes höhere Kohärenzgefühl im Sinne der Salutogenese von Aaron Antonovsky.

So erfreulich solche Ergebnisse sind, so dürfen sie trotzdem nicht hinwegtäuschen über die begrenzte Bedeutung statistischer Studien. Für eine Pädagogik, die sich am einzelnen Schicksal des Menschen orientiert, können statistische Ergebnisse niemals letzter Erkenntnisgrund sein. Es darf nicht vergessen werden, dass die Erziehungskunst steht und fällt mit den künstlerisch-pädagogischen Fähigkeiten, mit denen der Lehrer arbeitet. Der Erfolg dieser Arbeit lässt sich deshalb auch nicht durch Vergleich mit statistischen Normen messen.

Pädagogische Gesundheitsförderung im weitesten Sinne ist an sich nicht neu. Neu ist nur die Sprache, die Erkenntnisbreite, das methodische Instrumentarium für die Praxis. Gesundheitsförderung hat aber gegenwärtig eine sehr große Aktualität und Notwendigkeit.

Dr. med. Jürgen Möller, Hannover Januar 2005


Literaturhinweis

Rudolf Steiner: Allgemeine Menschenkunde, 1. Vortrag 1919
Rudolf Steiner: Jungmedizinerkurs, 1924
Aaron Antonovsky: Salutogenese, zur Entmystifizierung der Gesundheit, Tübingen 1997
Thomas Marti: Gesundheitsfördernde Pädagogik, medizinisch-pädagogische Konferenz
Zeitschrift „Medizinisch-pädagogische Konferenz“, 30/2004
Rüdiger Lorenz: Salutogenese, Ernst Reinhardt Verlag, 2004

Praktikum in der Martinsschule

Nachträglich der Bericht über das Praktikum im Februar diesen Jahres 2010 in der Waldorfheilpädagogischen Einrichtung Martinschule.



Mein Praktikum in der freien Waldorfschule
Martinsschule in Laatzen Grasdorf
Im Februar 2010

Einleitender Reimvers zur Vorstellung
Vor den Mitstudenten bei der Wiederkehr

Fürs Praktikum dacht ich schon lang
Frage ich bei dem Herrn Uhlmann an

Er hatte auch nichts dagegen
Dies kam so ganz gelegen

Die Vorabsprache kurz gehalten
Wir werden es schön gestalten

„Komm erst mal bei uns an,
alles weitere sehen wir dann!“

Den Wochenplan noch überreicht,
da sah ich schon, es wird nicht leicht!

Die Schule bunt beschrieben,
und auch die Kinder Lieben.

Klopfenden Herzens mit nervöser Natur
Folgte ich dann seiner Spur.

Er ist ein Mann, der Vieles kann,
gewissenhaft geht er dann ran.

Hat vieles um die Ohren,
ging trotzdem nix verloren.

Zu tun bekam ich in Kürze
Dies gab der Zeit die Würze

Ging vorsichtig auf die Schüler zu
Wir schlossen uns ins Herz im Nu

Berührungsängste hatte keiner
Jeder lernt nach Rudolf Steiner

Sie zeigten sich sehr offen dann
Kam ich mit neuer Übung an

War selbst erstaunt, wie es so klappt
Dabei war Niemand eingeschnappt

Sehr schnell voran ging es zwar nicht,
um so besser lernten wir das Gedicht.
Ich zeigte Ideen und Fantasie
So langweilten wir uns nie.

Besonders lieb ich die 3. Klasse gewann,
mit der ich früh den Hauptunterricht begann.

Sie nahmen mich fest in den Arm
Ums Herzen wurde mir dann warm

Zu wild war mir die Achte
Der Lehrer drüber lachte

Sie steckten in der Pubertät
Ihr ahnt, woher der Wind dann weht.

Sie waren nicht nur laut
Ihre Sprüche sehr versaut.

Die Siebte kam mir auch sehr nah
Nahm ich sie doch sehr deutlich wahr

Ich frage mich
nur sicherlich

„Was können sie wohl leisten,
wie folgen wohl die Meisten?“

Doch darf ich nicht vergessen,
mich selbst auch zu bemessen.

Den Überblick behalten
Beim Unterricht gestalten

Text sprechen und bewegen
Hauptaugenmerk verlegen

!Achte nicht nur auf Dich allein
die Schüler müssen wichtig sein!

Im Rhythmus zu agieren
Den Mut nicht gleich verlieren

Als Schwäche es sich zeigte,
ich nicht zur Strenge neigte.

Fest an die Hand zu nehmen,
das war nicht mein Benehmen

Ich glaub es ging ganz gut,
Nun hab ich neuen Mut!

Mal sehn, was ich draus mache
Vielleicht wird’s meine Sache?!

Allgemeine Beschreibung

Die freie Martinsschule ist eine Heilpädagogische Einrichtung und Förderschule für seelenpflegebedürftige Kinder und Jugendliche. Es gibt 12 Schuljahrgänge mit jeweils einer Klasse, ein Kindergarten ist ebenfalls im Gebäude untergebracht. Ein festangestellter heilpädagogischer Klassenlehrer begleitet eine Klasse von der Einschulung bis zur Oberstufe etwa 8. Klasse, danach steht er den Schülern als Klassenbetreuer zur Verfügung. Ihm zur Seite stehen 1 bis 2 Sozialhelfer/ Assistenten und Praktikanten o. Zivi´s, die den schwächeren Schülern zur Hand gehen und Einzelbetreuung möglich machen.

In der Martinsschule sind zwei Eurythmielehrer angestellt, die sich gegenseitig musikalisch bei dem Unterricht des jeweils Anderen begleiten. Zumeist am Klavier, für Kindergarten und Unterstufen Glockenspiel und anderes Klingendes.

Erwartungen und Vorbesprechung

Da ich im Umgang mit Kindern und Jugendlichen sehr unerfahren und selbstkritisch war, zog ich es vor, einen vom Merztheater her bekannten Eurythmielehrer im Praktikum begleiten zu wollen, ohne zunächst die Schulform in Betracht zu ziehen. Allerdings ist Heileurythmie eine sehr interessante Abzweigung unseres Faches, mit der ich mich nach der Ausbildung gern noch näher beschäftigen würde und die gerade in derartigen Einrichtungen nötig bzw. wichtig ist. Somit war die Möglichkeit in der Heilpädagogischen Einrichtung das Praktikum zu machen, doppelt wertvoll, denn auch wenn ich nicht an der Heileurythmie selber teilnahm, lernte ich das Einsatzklientel, sprich die Schüler, denen Heileurythmie gegeben wurde und den körperlich seelischen Bedarf danach – zumindest ansatzweise in einer Ahnung davon - kennen.

Um mir selber die Nervosität und Angst zu nehmen beschloss ich vorurteilsfrei und offen auf die Schüler zu zugehen. Auch wusste ich von den Erzählungen, dass diese Schüler weder Berührungsängste kennen noch die persönlichen Grenzen ihres Gegenübers wahrnehmen können. Ich sagte mir, wenn ein Schüler sich in meine Arme flüchtet, werde ich ihn schützend liebevoll annehmen.

Der Hinweis der uns mitgegeben wurde, war, dass wir ohne Stress den Eurythmieunterricht wahrnehmen sollen:

Folgendes sei besonders zu beachten und im Praktikumbericht zu beschreiben:

- Wie ist die Ansprache des Lehrers an die verschiedenen Klassenstufen?
- Was sind die Themen und Formen der verschiedenen Stufen?
- Wie verändert sich der Unterricht von 1-12
- Wie ist der Aufbau des Unterrichtes innerhalb der 4 Wochen
- Exemplarische Entwicklung eines Stückes
- Wie erspürt der Lehrer/ die Lehrerin die emotionale Lage der Schüler vor dem Unterricht

Bei einer kurzen Vorabsprache beschrieb und erklärte der Eurythmielehrer, den ich den Februar über begleiten wollte, die Schule, die Schüler und den Unterricht, übergab mir einen ersten Wochenstundenplan und schon ein paar Ideen, in welcher Klassenstufe ich nach einiger Zeit eine leichte Übung übernehmen könne/ solle.
Mein Einwand war sofort, dass ich die Schüler erst kennen lernen wolle und erspüren wollte, was ich mir und ihnen im Umgang zutrauen können würde.

Hinzu kam als Schicksalswink die Zweiwöchige Abwesenheit der 2. Eurythmielehrerin und somit für den einen Eurythmielehrer mehr Klassen zu betreuen und für mich einen größeren Spielraum, für Übungen in den verschiedensten Klassenstufen.

Örtlichkeiten


Arbeitsplatz des Klavierspielers/ Eurythmielehrers auf der Bühne des großen Saales

Der Saal von der anderen Seite des Vorhanges also auch „Zuschauerraum“
Und Treffpunkt der gesamten Schule zum Morgenkreis zu Beginn eines jeden Schultages

Es gibt 2 Orte bzw. Räume/ Säle, in denen Eurythmie unterrichtet wurde. Für Kindergarten, Unter- und Mittelstufe war der große Raum in der 1. Etage, für die Oberstufe wurde die Bühne genutzt, die durch einen riesigen schweren Vorhang (vom Opernhaus vererbt) vom großen Saal getrennt war und den Mittelpunkt des Schulgebäudes bildete.

Bis zur 8. Klasse einschließlich holt der Eurythmielehrer die Schüler aus ihren Klassenzimmern ab und geleitet sie zum Saal. Ab der 7. Klasse tragen die Schüler nur noch Eurythmieschuhe – keine Kleider mehr. Die Lehrerin trug konsequent für jeden Eurythmieunterricht ein Eurythmiekleid, der Lehrer konsequent keines.
Zur Abholung später mehr.

Verlauf des Praktikums

Die ersten 2 Tage der 1. Woche war noch Schonfrist und ich saß tatsächlich zunächst als Zuschauer im Eurythmieunterricht dabei. Dann bekam ich meine ersten Gedichte/ Aufgaben zur Be/Erarbeitung:

Für die 3. Klasse ein Schustergedicht von Hedwig Diestel zu dem ich mir Geschicklichkeitsübungen einfallen lassen sollte, um sie nach der Woche mit den Schülern zu gestalten.

Für die 7. Klasse möge ich ein Gedicht zur Rhythmusgestaltung suchen und Gestaltungsmöglichkeiten ausarbeiten. Als Auswahl war Trochäus, Jambus oder Anapäst gegeben, wobei durchklang, das eine Trochäus wünschenswert sei und ich bekam auch ein Vorschlagsgedicht, welches ich nicht nutzte.

Der Lehrer hatte auch noch ein kleines Musikstück, für welches er gerne Form und Gebärden für eine noch nicht bestimmte Klassenstufe gehabt hätte, dies kam aber dann doch nicht zur Ausführung, dafür Übungen in drei anderen Klassenstufen. Die musikalische Aufgabe wäre mir dann zuviel geworden, haben wir auch gar nicht mehr angeschaut.
In der zweiten Woche war ich Morgens in den ersten beiden Stunden, dem sogenannten Hauptunterricht, in der 3. Klasse dabei. Bis 10:00 Uhr, dann gab es für die Schüler Frühstück und ich bereitete mich für die nächsten Eurythmiestunden vor.
Kurze Lagebesprechung gab es um 10:15 Uhr und um 10:30 Uhr begann die erste Fachstunde. Außer Dienstag, an dem die 4. Klasse um 8:30 Uhr zum Eurythmieunterricht abgeholt wurde.

Die 12. Klasse hatte in meiner zweiten Praktikum-Woche nachmittags Eurythmieunterricht in form einer Epoche, so dass sie intensiver an Stücken gearbeitet haben.

Nur bei Ihnen wurde das 3-teilige Schreiten beübt, das Hauptthema war Wollen-Fühlen-Denken

Zum Spruch:
In dem Herzen webet Fühlen
In dem Haupte leuchtet Denken
In den Gliedern kraftet Wollen
Webendes Fühlen
Kraftendes Leuchten
Webendes Kraften
Das ist der Mensch

Im Kreis schreiten oder auch zur Mitte in Begleitung der Armbewegung der Tierkreisgebärden
Wollen – Stier
Fühlen – Löwe
Denken – Skorpion (ehem. Adler)
Der Mensch – Wassermann

Die Lauteurythmieform zum Gedicht „In der Früh“ von E. Möricke und das Musikstück „Von fremden Ländern“ aus den Kinderszenen Schuhmanns waren mir aus dem Unterricht des Studiums bekannt und hatte sie selber schon beübt.

Bei den letzten 2 Epochentagen mit Ihnen gestaltete und sprach ich die Übung Ballen und Spreizen, das war meine erste geführte Übung im Praktikum.

Am Ende meiner zweiten Woche begann ich mit der 7. Klasse die Rhythmusübung, indem ich ihnen zunächst kurz etwas zum Text erzählte, es war ein Ausschnitt aus dem Sommernachtstraum aus der Rede von Puk, dem frechen Elfenjungen und das Gedicht aufsagte. Sie lauschten sehr aufmerksam meinen Worten und der Text schien ihnen zu gefallen. Danach begannen wir rhythmisch zu gehen und immer auf die Längen einen Schritt zu machen. Zur weiteren Entwicklung dieser Übung erstelle ich einen Extra Punkt als exemplarische Beschreibung.

In der dritten Woche führte ich die mit dem Eurythmielehrer erübte Geschicklichkeitsübung mit der 3. Klasse durch, die sie mit Begeisterung mitmachten, auch wenn einzelne extra Einladungen brauchten. Wir hüpften in die Mitte und wieder hinaus, hoben ein Bein und berührten es, klopften mit der Faust auf die Flache Hand oder aber auch nur mit dem Zeigefinger (Nägel einklopfen und nähen) schritten seitwärts und drehten uns um uns selbst, um dann aber wieder fest auf beiden Beinen zu stehen – über Kreutz um wieder anzukommen und dann Füßen nebeneinander stehend im festen Halt. „Wir sind die Schusterjungen...“
Aber die 3. Klasse waren, durch die morgendliche Anteilnahme der einen Woche lang, sowieso meine Lieblinge und auch ich hatte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Der Wechsel zu den Übungen mit dem Lehrer war jedes Mal ein kurzes Ausbrechen aus der Konzentration.

Die 11. und 12. Klasse war ab der dritten Woche im Praktikum.

Für die aufgewühlte 5. Klasse (Wahrnehmung der verschiedenen Klassenstufen als Extrapunkt) sollte ich eine Form zu einem Text zum Thema indische Epoche erstellen. Nach einem Formfehler, welche eher in eine spätere Epoche gehörte, wurde die Form vom Lehrer angenommen und mit seiner Hilfe durchgeführt, da es für diese Schüler sehr schwierig war, sich Wege zu merken und dann auch an einem Ort stehen zu bleiben.

Mit der 10. Klasse habe ich die 7-teilige Stabübung auf einen 7-Stern durchgeführt, in der Vereinfachung, das es ein großen 7-Stern im Raum gibt für alle und auf allen 7 Spitzen Positionen ein Schüler steht und immer nur ein Schüler pro Weg läuft. Wir haben die Stabbewegung erst mal im Stehen durchgeführt, dann bin ich mit jedem Schüler nur den Weg zum Nächsten Punkt gelaufen und dann haben wir beides zusammengefügt. Der Lehrer war so lieb und hat uns dazu eine Tonleiter auf dem Klavier gespielt. Diese Übung wollten die Schüler der wiederkehrenden Lehrerin in der darauffolgenden vierten Woche gleich zeigen, da ich aber wegen Unpässlichkeit am Rand sitzen blieb, ergab sich ein Vorführeffekt und klappte nicht ganz so gut!

In der vierten Woche kam noch eine Gebärdenübung zu einem Heldengedicht mit Jung Siegfried mit der 4. Klasse dazu. Die Rhythmusübung der 7. Klasse wurde ausgestaltet und wir probierten die vielfältigsten Variationen.

Ich nahm in der Praktikumzeit an 3 Schulkonferenzen teil, die Donnerstag Abends gehalten wurden. Besonders beeindruckt haben mich die sorgfältigen Schülerbeschreibungen der Kindererzieher aus dem Kindergarten mitsamt einer Anamnese (Krankenbild) und die Textarbeit zur Heilpädagogik Rudolf Steiners als Beispiel eines zwanghaft stehlenden Jungens uns seinem fehlenden Bezug zum Astralleib; es zog ihn immer wieder auf Reisen – erst liebevolle intensive Betreuung durch einen von Rudolf Steiner ausgewählten Lehrer half ihm, damit umzugehen.

Wahrnehmung der verschiedenen Klassenstufen

In bezug auf die Aufgabenstellung der Pädagogischen Ausbilder und einer besonderen Fragestellung des begleitenden Eurythmielehrers zur Selbstrefflektion, Wahrnehmung und Selbsterziehung (Grundlage des anthroposophischen Schulungsweges und wichtiger Bestandteil zum Bestehen eines Lehrers) Die Frage lautete: „Wie geht es Dir mit den verschiedenen Klassenstufen? Welchen Bezug hast Du zu ihnen? Wie sehen Deine Gefühle zu Klassen oder Einzelschülern aus?“
Zunächst hatten mich diese Fragen aufgewühlt, ohne das ich wusste warum, es fiel mir schwer mich selbst in meinen kritischen Betrachtungen mit einzubeziehen.

Kindergarten, sowie 1. und 2. Klasse habe ich nicht kennen gelernt.



Ø 3. Klasse

Sie waren noch verspielt, verträumt und sehr verschmust. Durch die Begleitung der einen Woche des Hauptunterrichtes hatte ich eine engere Beziehung zu ihnen und sie waren sehr anhänglich.

Die Eurythmiekleider und Schuhe zogen sie selbstständig in Mithilfe des Klassenlehrers und Helfers an, die Kleider waren im Klassenschrank untergebracht. Der Eurythmielehrer ruft sie in einer Reihe an der Tür namentlich auf und mit einem gesungenen Liedchen wurde im Gänsemarsch in der Reihe zum Raum gegangen.

Das Grundgerüst des Unterrichtsablaufes ist in jeder Stunde gleich.

Thema der 3. Klasse ist die Quinte als Gebärde und Klang, sowie Handwerkergedichte zu Text und Musik. Die Musik ist noch in der Geschicklichkeitsübung untergebracht und hat noch keine Sonderform.

Ø 4. Klasse

Diese Klasse war wie ihre Klassenlehrerin sehr unnahbar und schwer einzuschätzen. Zwei sehr launische Schüler und 1 Kind im Rollstuhl waren darunter, einer der beiden neigte zu unkontrollierten Wutausbrüchen, die andere war einfach nur bockig. Bei dieser Klasse musste der Lehrer die Eurythmiekleider mitbringen und dafür sorgen, dass sie diese anzogen, wobei ihm aber die Klassenhelfer zur Hand gingen. Es war deutlich zu spüren, dass es zwischen ihm und der Klassenlehrerin Unstimmigkeiten gab und sie ihn vor den Schülern zurecht wies, um ihrem Unmut ihm gegenüber Luft zu machen.

Das Thema dieser Klassenstufe war 4ecks-Verschiebung und Heldensagen.
Zur Musik gab es zwei Reihen, die sich gegenüber standen, sich begegneten, umeinander und voneinander gingen.

Ø 5. Klasse

Sie hatten bei Abholung Kleid und Schuhe an!
Eine ganz gemischte Klasse aus den unterschiedlichsten Schwächen und Stärken. Es viel Ihnen sehr schwer aufmerksam zu bleiben, einige waren darunter, die keine fixierte Wahrnehmung hatten. Ein richtiger Quergeist war dabei, der regelmäßig ausrastete und wüste Beschimpfungen ausstieß aber auf der anderen Seite, wenn er gut gestimmt war, jeden küsste und herzte. Ein kleines zartes Elfenmädchen konnte man einfach nicht in den Unterricht integrieren, da sie ziellos umherwanderte, alles auch unscheinbare, mit größter Bewunderung betrachtete und keiner Aufforderung befolgte.

Ihr Thema: Indien bzw. indische Kulturepoche, eurythmische Elemente zum Einfühlen in die damaligen Gemüter




Ø 6. Klasse

Auch diese Schüler hatten ihre Kleider und Schuhe an, bevor der Eurythmielehrer hinzu kam.
Habe ich nur einmal kurz im Unterricht ganz zu Anfang meiner Praktikumzeit kennen gelernt und danach diese Stunde als Freistunde genutzt!
Sie hatten Stabübungen angelegt und heiteren Auftakt! Ein großer kräftiger Junge mit autistischer Prägung war dabei. Er nahm jeden genau wahr, schlug ihm grob auf den Arm oder tätschelte beim Vorbeigehen Wange oder Schulter, redete fortwährend unzusammenhängend und wiederholend Gesehenes oder Erlebtes.

Ø 7. Klasse

Ab dieser Klassenstufe brauchen die Schüler keine Eurythmiekleider mehr tragen, aber Eurythmieschuhe. Wenn der Lehrer sie zum Unterricht abholte, saßen sie in einem Kreis um den Korb Schuhe herum und er half ihnen sie anzuziehen. Diese Klasse hatte einen besonderen Bezug zu dem Eurythmielehrer, da er auch der Vertreter der Klassenlehrerin, seine Ehefrau, war.

Diese Klasse war sehr überschaubar und freundlich. Mit Ihnen machte es großen Spaß eine Übung über die Praktikumzeit hinweg auszuarbeiten und zu gestalten. Sie waren sehr aufmerksam, auch wenn sie nicht immer die richtigen Wege fanden.
Ihre Themen waren „die Krone“ und Rhythmusübung Trochäus, Musikstück mit angedeuteten Tongebärden

Ø 8. Klasse

Keine Kleider, Schuhe schon angezogen, wenn der Lehrer sie abholte.
Schwierige laute pubertierende Schüler, die kaum zur Ruhe zu bringen waren. Es waren kaum Übungen möglich, sie balgten sich, rauften und zankten. Einen der Schüler musste der Lehrer dauerhaft an die Hand nehmen oder in die Ecke setzen. Da der Lehrer selber sich in ihrer Späße einbeziehen ließ und balgte, hatte er seine Mühen sie dann zur Ordnung zu gemahnen. Sie hatten eine Musikform, die sie je nach Laune tanzten oder hüpften oder schlurfenden Ganges abliefen, sich gegenseitig immer wieder neckend. In der Lauteurythmie begann der Lehrer mit ihnen eine Ballade anzulegen: Nis Randers

Ø 9. und 10. Klasse

Ab dieser Klassenstufe haben die Schüler den Eurythmieunterricht auf der Bühne und werden nicht mehr abgeholt. Der Eurythmielehrer erwartet sie vor Ort mit einem Korb, indem die Eurythmieschuhe aufbewahrt werden. Sie kommen herein, begrüßen den Lehrer und ziehen sich die Schuhe an.
An diese beiden Klassen habe ich keine ausgeprägten Erinnerungen, ihre Themen waren die Stabübungen und der 4er Takt, auch hatten sie eine Spiegelform

Ø 11. Klasse

Auch diese Klasse habe ich nur in einer Unterrichtsstunde kennen gelernt, ihr Thema war: Intervalle Gebärden und Raumformen

Ø 12. Klasse

Dies waren einigermaßen junge Erwachsene, alles männlich, bis auf eine Mitschülerin, die ich erst in der letzten Woche kennen lernte. Sie gaben sich betont lässig und weltmännisch. Sie hatten zur Praktikumzeit eine Woche Eurythmie Epoche, in der sie eine Intervallform zu Musik und eine Form zu Wollen, Fühlen, Denken ausarbeiteten. Auch wurden die Kreisverwandlungen wiederholt und in den letzten Stunden sogar an ihrem Klassenspiel geprobt. Da sie zwei junge Frauen als Praktikantinnen zur Unterrichtbegleitung hatten, gaben sich alle große Mühe. Um sie nicht all zu nervös zu machen oder gar abzulenken, sollte ich keine hautengen, körperbetonten Kleidungsstücke zum Unterricht tragen – was mir nicht schwer fiel.

Unterrichtsablauf

Der Unterrichtsablauf war in allen Klassenstufen gleich. Es begann damit, das sich die Schüler mit einem Lied oder Klavierbegleitung in den Saal kamen und in einen Kreis zogen. Es gab für jede Klassenstufe einen Anfangsspruch mit begleitenden Gebärden. Dann folgt eine Übung, wie das Alphabet, ihr Thema passend zur Klassenstufe und dann ein Rhythmischer Teil mit Musik. Zum Ende stellten sich die Schüler wieder im Kreis auf, der Spruch vom Anfang und die Reihe zog wieder hinaus.

Exemplarische Entwicklung einer Übung

Rhythmus Übung mit der 7. Klasse zum Trochäus ____ ~
Text aus dem Sommernachtstraum von William Shakespeare

Jetzo gähnt Gewölb und Grab
Und, entschlüpft aus kalten Mauern,
Sieht man Geister auf und ab.
Sieht am Kirchhofszaun sie lauern.
Und wir Elfen, die im Tanz
Hekates Gespann umhüpfen
Und, gescheucht vom Sonnenglanz,
Träumen gleich ins Dunkel schlüpfen:
Schwärmen jetzo! Keine Maus
Störe dies geweihte Haus!
An komm ich mit Besenreis,
Flur zu fegen blank und weiß!

Nachdem wir in der ersten Kennenlernstunde zu dem Gedicht rhythmisch auf die Längen gelaufen sind, haben wir uns dem Rhythmus sitzend mit den Händen auf die Knie/ Schenkel klopfend genähert, bevor wir versucht haben ihn laufen. Das wurde schon auf zwei Schulstunden verteilt. Dann habe ich versucht die Klasse in zwei Gruppen zu teilen, sie abwechselnd in einem Kreis aufzustellen und jeweils auf die Länge, lief eine Gruppe einen Bogen außen um die stehen bleibenden oder die andere Gruppe, danach auf die nächste Länge innen um die stehen bleibenden. Da dies noch etwas schwierig war, überlegte ich mir spontan noch eine Abwandlung, die ihnen großen Spaß brachte und schön außer Atem – mich auch! Wir machten einen Sprung auf der Stelle in die Höhe auf die Länge und tippten mit dem Fuß vor uns auf die Kürze, immer abwechselnd rechts oder links.
Fazit

Diese lehrreiche und spannende Praktikumzeit hat mir gezeigt, was es psychisch - wie physisch bedeutet als Lehrer/in zu wirken. Es bedarf einer guten Vorbereitung und Vorarbeit nicht nur theoretisch, sondern auch praktischer Natur für das Arbeiten mit den Schülern, einer geschulten Aufmerksamkeit und Konzentration, einer gewissen Strenge ohne Härte mit sanfter Führung zur Übung. Wie erhalte ich Motivation bei sich wiederholenden Übungen? Was unternehme ich bei Störenfrieden und wie sieht die Maßregelung aus? Sich selber unter Kontrolle behalten, ein Vorbild sein und auch darauf gefasst sein, das die Schüler unerwartet ein Spiegel seiner selbst sein können. Gegenseitigen Respekt aufbauen und Grenzen wahren! Es reicht nicht ein Gedicht auswendig zu können und zu wissen, was dazu zu machen ist, sondern es selber umsetzen können, die Schüler mitnehmen und sie gleichzeitig dabei im Auge zu behalten ist eine ganz besondere Multi-tasking Schulung!

Die Krimitanten

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